86956 Schongau, Deutschland
entfernt
|
Feichelturm
Quelle: Pfaffenwinkel - Natürlich Oberbayern!, Autor: Stadt Schongau
Beschreibung
Audiokommentar zur Station 5, Feichelturm
Auszug aus dem Audiokommentar von Oliver Pötzsch
Der Ort, an dem Sie hier stehen, sieht unscheinbar aus, doch er birgt eine schreckliche Geschichte. Und im Gegensatz zu meinen erfundenen Geschichten, ist diese auch noch wahr. Hier stand bis zu seiner Zerstörung im Spanischen Erbfolgekrieg der sogenannte Faulturm, auch Feichelturm genannt, ein fünfstöckiges Gebäude mit ausgedehnten unterirdischen Verliesen. Darin mussten während der berüchtigten Schongauer Hexenprozesse von 1589 bis 1592 über sechzig Frauen auf ihre Hinrichtung warten. Unter der Folter gestanden sie, mit dem Teufel geschlechtlich verkehrt, Hagel herbeigezaubert oder die berühmte Hexensalbe hergestellt zu haben, mit denen die Frauen angeblich fliegen konnten. Seitdem heißt der Turm auch Hexenturm.
Der damalige Henker war ein gewisser Jörg Abriel, ein echter Popstar unter den Scharfrichtern. Er zog mit Frau und Gesinde von Stadt zu Stadt und bot für teures Geld seine Dienste an, darunter auch in Schongau. Jörg Abriel galt als wahrer Hexenkenner und war für die sogenannte Hexenprobe bekannt. Dafür stach er die Frauen mit einer Nadel. Floss kein Blut, handelte es sich eindeutig um eine Hexe. Und Jörg Abriel war sehr geschickt darin, dass es nicht blutete. Jede Hexe brachte gutes Geld.
Glaubt man dem Ahnenforscher meiner Familie, dann war dieser Abriel der Großvater von Jakob Kuisl und damit auch mein Urahn. Eine ziemlich gruselige Vorstellung.
In einer alten Chronik fand ich den Eintrag, dass Jörg Abriel wohl einige Zauberbücher besessen hatte. War er vielleicht selbst ein Hexer? Im sechsten Teil der Saga, „Die Henkerstochter und das Spiel des Todes“, tauchen diese Zauberbücher auf. Es ist Magdalenas jüngere Schwester Barbara, die sich sehr dafür interessiert. Gerade jetzt wieder liest sie heimlich darin. Vielleicht findet sich ja auch ein Zauberspruch, wie man endlich den richtigen Ehemann findet …
Dass es gerade im 16. Jahrhundert so viele Hexenprozesse gab, hatte verschiedene Ursachen. Die Menschen waren verunsichert durch den Glaubensstreit, durch die Veränderungen in der Welt, vor allem aber sorgte die sogenannte Kleine Eiszeit für Kälte, Unwetter und Missernten, die Hunger und Krankheiten mit sich brachten. Die Menschen suchten einen Sündenbock. Auch heute ist das noch so. Verunsicherung führt oft zu Hysterie und Hass. Wir sollten also nicht nur den Kopf schütteln über diese dunklen, längst vergangenen Zeiten. Geschichte wiederholt sich, sie kommt nur stets in einem anderen Gewand daher.