Veranstalter | Modern Studio Freising e. V. |
Veranstalter-Adresse | Haxthausen 14, 85354 Freising, Deutschland |
Quelle | Stadt Freising |
42. Literarischer Herbst - Anja Reumschüssel — Über den Dächern von Jerusalem
Junkers Café
Simona Mulazzani
Die Veranstaltung
Einen Platz auf Erden, wo sie zur Ruhe kommen können, nach all den Qualen, die sie von Nazi-Deutschland erleiden mussten. Ein Staat, der ihnen gehört, den ihnen niemand streitig machen kann. Viele Menschen, weltweit, hatten das den Juden gewünscht. Am 14. Mai 1948 ist es so weit: Die britische Regierung gibt ihr Mandatsgebiet in Palästina auf und auf UN-Beschluss ruft Ben Gurion den Staat Israel aus. Aber Frieden gibt es nicht. Wie auch? Schließlich war das Land keine leere Fläche, sondern seit Generationen bewohnt von arabischen Familien. Zwar hatten sich schon viele Jahre lang jüdische Siedler dort niedergelassen, ohne dass das allzu sehr gestört hätte. Doch die Verfolgung durch die Nazis trieb immer mehr Juden ins Land, hoffnungsvolle, verzweifelte, aber auch solche, die das Recht, zu bleiben, für sich allein beanspruchten. Zwangsläufig kam es zu Gewaltausbrüchen zwischen den Einwanderern und der arabischen Bevölkerung. Die Staatsgründung machte die Lage noch schlimmer.
Das alles kann man in Schriften zur Zeitgeschichte nachlesen. Doch was uns berührt und beschäftigt, steht meist nicht in Geschichtsbüchern. Die Schicksale einzelner Menschen ergreifen uns oft unmittelbarer und lassen uns tiefer in schwierige Themenbereiche eindringen. Die Journalistin Anja Reumschüssel führt den Leser mit vier Hauptfiguren in zwei Zeitebenen nach Israel. Eindrucksvoll zeigen die vier unterschiedlichen Sichtweisen, wie wenig aussichtsreich eine einseitige Parteinahme für Verständnis und Lösung dieses komplexen multinationalen Konflikts sein kann.
Tessa hat Auschwitz überlebt, allein, ohne die Mutter und den kleinen Bruder. Im Lager für Displaced Persons entscheidet sie sich 1946 für eine Ausreise nach Palästina. Dorthin ist ihr Vater bereits vor dem Krieg ausgewandert. Es ist ihm aber nicht gelungen, seine Familie nachzuholen. Jetzt, mit sechzehn Jahren, wird die Tochter endlich mit ihm vereint sein. Sie hat sich nach Geborgenheit gesehnt und trifft auf einen Vater, dem der bewaffnete Kampf um seine neue Heimat mindestens genauso wichtig ist wie seine Tochter. In den Nächten steigt Tessa oft auf das Dach des Nachbarhauses, um Ruhe und Frieden zu finden und trifft dort den jungen Araber Mo. Auch er hat Verluste erlitten. Sein Vater wurde bei einem, übrigens historisch belegten, israelischen Bombenterror auf das King David Hotel getötet. Obwohl beide gefangen sind in ihrem jeweils eigenen Schmerz, keimt doch allmählich Verständnis auch für die andere Seite auf. Schließlich werden sie getrennt und wissen nichts mehr voneinander.
Gegenwart: Die israelische Soldatin Anat und der fünfzehnjährige Palästinenser Karim begegnen einander voll Misstrauen und Furcht im Westjordanland. Als sie zaghaft ein Gespräch beginnen, zeigen sich ihnen nicht nur mögliche Verständigungsbrücken, auch eine Verbindung in die Vergangenheit tut sich zwischen ihnen auf.
Anja Reumschüssel hat Publizistik, Soziologie und Theologie studiert und war an der Henri-Nannen-Journalistenschule in Hamburg. Als freie Journalistin arbeitet sie für Stern, Geo-Wissen, Spiegel Online. Der vorliegende Roman ist ihr erstes Jugendbuch und steht auf der Auswahlliste für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2024